Mittwoch, 20. November 2013

Von Secondhand und Eheringen oder: wenn ich in die Stadt fahre

Manchmal erscheint mir das Lutheran Junior Seminary wie ein kleines Dörfchen, die Leute kennen sich untereinander, es gibt eine Kirche, zwei kleinere Läden (Dukas), die Farm usw. Es gibt hier also viele Möglichkeiten Leute zu besuchen, sich mal eine Soda (Sprite, Cola, Fanta und Co) zu kaufen usw. Trotzdem muss ich natürlich ab und zu auch mal in die Stadt um ein bisschen einzukaufen oder einfach mal rumzubummeln und bin meist auch ganz froh über die Abwechslung.
In Zentrum fahren in unregelmäßigen Abständen Daladalas (Meist japanische Kleinbusse die ein wenig umgebaut wurden, sodass möglichst viele Menschen darin Platz haben). Diese sind festen Strecken zugeteilt, die auch vorne auf dem Bus angeschrieben sind. Ich wohne so zum Beispiel an der Strecke Mikese - Mjini, wobei Mjini soviel wie "in die Stadt" bedeutet. Wenn ich also in die Stadt möchte (und nicht gerade jemanden weiß, der ohnehin mit dem Auto fährt), dann stelle ich mich einfach an die Zufahrt zum Seminary und warte. Dabei kann es an einem Tag sein, dass man nur wenige Sekunden dort steht, an einem anderen aber dann schoneinmal eine halbe Stunde. Diese Schwankungen kommen dadurch zu Stande, dass die Daladalas nur dann losfahren, wenn sie möglichst voll sind (und da bedeutet wirklich voll, da kann es schon mal einer Bauchmuskelübung gleichkommen mitzufahren, weil man eine besonders anstrengende Haltung einnehmen muss). Ein Daladala wird immer von zwei Leuten "betrieben", dem Fahrer und dem Conductor (er hängt zumeist aus dem Seitenfenster und hält nach Passagieren Ausschau, sammelt im Businneren das Geld ein und ist dafür zuständig, dass rechtzeitig gehalten wird wenn jemand aussteigen will). Soweit ich es bisher mitbekommen habe ist es wohl so, dass für das Daladala (dieses gehört jemand anderem) pro Tag ein gewisser Betrag gezahlt werden muss. So ist es wichtig, dass möglichst viele Passagiere mitfahren, damit am Ende die Differenz zwischen dem zu zahlenden Betrag und den Einnahmen möglichst hoch ist, denn das ist dann der Lohn, den Fahrer und Conductor an diesem Tag bekommen.

Kommt also nach einiger Wartezeit ein Daladala in dem (irgendwie) noch Platz für mich ist, dann steige ich ein und bin dann zwischen 15 und 25 Minuten - je nach Verkehrslage und Personen, die auf dem Weg ein- oder aussteigen wollen- an der großen Dalaldalastation in der Stadt angekommen. Die Fahrt kostet 500 Tansanische Schilling (~25ct).
Dann heißt es meist erst einmal tief Luft holen (bei so vielen Menschen auf so engem Raum ist die Luft eher weniger angenehm) und aus dem Gedränge der Busstation herauskommen. Je nachdem was ich so erledigen muss sieht meine "Route" dann natürlich anders aus und ich erlebe unterschiedliche Dinge. Ich habe hier mal einen fiktiven Tag in der Stadt zusammengeschrieben, der so nie geschehen ist sondern nur einen kleinen Überblick geben soll welche Arten von Überraschungen und Erfahrungen mir bisher schon so begegnet sind.

Zuerst einmal treffe ich mich da mit jemandem, denn alleine ist es eben recht langweilig und auch anstrengender in der Stadt unterwegs zu sein. Da ich nicht weiß, wann diese andere Person kommen wird (es ist zwar eine Zeit ausgemacht aber die ist nur der Richtwert, denn wie gesagt: Man weiß ja nie, wann das Daladala kommt) überquere ich die Straße und warte auf der anderen Seite vor einer Reihe von Geschäften. Das klingt an sich ganz normal, will aber doch geübt sein und fordert einiges an Konzentration, denn das Motto lautet "Ein Pikipiki kann von überall kommen und das zu jeder Zeit". Zu leicht übersieht man die Motorräder, die schonmal auf recht abenteuerliche Weise über die Straße jagen oder erstaunliche Abkürzungen benutzen. Nach einiger Zeit sehe ich dann die andere Person -an diesem fiktiven Tag lasse ich es mal Jenni sein, eine Freiwillige die ganz in der Nähe von mir wohnt. Wir haben nicht das gleiche Daladala erwischt und so habe ich gute 10 Minuten auf sie gewartet. Als "Wazungus" (Weiße, Europäer) finden wir uns doch recht schnell und ziehen los. Sie muss zuerst zum Schneider und während wir darauf warten, dass er noch kurz ein paar Fäden an dem neu genähten Kleid abschneidet, betreten wir ein kleines Kleidungsgeschäft (mit sehr schönen Schuhen in der Auslage) und wollen uns ein wenig umsehen. Wir werden von einem freundlichen Verkäufer begrüßt, der sich sofort um uns kümmert. Dabei schießt er ein bisschen über das Ziel hinaus und als er plötzlich einen silbernen Ring aus der Tasche zieht, sich meine Hand schnappt und ihn mir heiratsantragmäßig anstecken will helfen dann auch die zu vorigen Abweisungen nicht mehr und wir verlassen den Laden lachend und ohne etwas gekauft zu haben. Das Kleid allerdings ist mittlerweile fertig und wir machen uns auf in Richtung Sabasabamarkt. Das ist sozusagen eine besondere Attraktion in Morogoro, ein großer Markt, hauptsächlich für Altkleider, Schuhe usw., der nur Sonntags stattfindet.

Neben Secondhandware gibt es auf dem Sabasabamarkt auch viele Stoffe.


Die Kleidung wird aus großen Tischen aufgehäuft, der Verkäufer steht daneben und schreit sowas wie "Bei yake mia tano, bei yake mia tano..." (Der Preis ist 500Shilling ~25ct) und man durchwühlt dann halt die Kleiderhaufen und sucht nach etwas passendem. Dabei ist es unglaublich lustig, was man so alles findet und wenn man sich dann vorstellt, dass Leute so etwas wirklich gekauft haben, dann muss man manchmal schon ziemlich lachen. Auf der anderen Seite ist es teilweise auch wirklich erschreckend, dass es dort auch Sachen gibt, die offenbar niemals getragen wurden und noch das ausländische Preisschild haben.
Wenn man viel Ausdauer, Geduld und die Fähigkeit manche Geräusche (wie das ständige Rufen des Verkäufers) auszublenden, hat, dann findet man in den Kleiderbergen schonmal kleine Schätze, denn hier wird kein unterschied gemacht ob es sich bei der Secondhandware etwa um eine teure Marke handelt, die Kleidung wird je nach Qualität in Preiskategorien aufgeteilt, die von 500Shilling bis ca. 3000Shilling an den verschiedenen Tischen variieren. Zusammen mit Jenni habe ich nun einige T-Shirts gefunden und bin die vielen "Mzungu"-rufe langsam ein wenig leid geworden. Auf dem Rückweg wollen wir noch an ein paar Ständen nach Röcken schauen doch irgendwie ist heute nicht unser Tag. Überall wo wir fragen fängt der Preis (der natürlich verhandelbar ist) bei 25 000Shilling an (~12,50€). Hätten wir nicht auch schon Röcke für 5000Shilling (~2,50€) bekommen so würden wir wahrscheinlich annehmen, das wäre ein normaler Preis. So aber versuchen wir gar nicht erst zu handeln oder geben es schnell wieder auf und machen uns auf den Rückweg in die Stadt. Zwischendurch gönnen wir uns nun eine kalte Soda (mein Favorit hierbei: Sprite) in einem der kleinen Lädchen am Straßenrand. Ich muss noch auf den normalen Markt, der an jedem Wochentag ist, um Kartoffeln, Karotten und natürlich Mangos zu kaufen. Auch hier werden wir von vielen Leuten sofort als "Wazungu" begrüßt und obwohl man sich schon langsam ein wenig daran gewöhnt ist es einem doch ein wenigunangenehm und nach dem Sabasabamarkt sind wir nicht nur ganz schön erschöpft sondern auch ein wenig genervt.

So beeilen wir uns also auf dem Markt, machen auf dem Rückweg zum Daladalastand noch einen kurzen Stopp in einem der drei größeren Supermärkte (vergleichbar wohl mit einer der durchschnitts Schleckerfilialen aus kleineren Dörfchen). Dort gibt es recht gutes Brot und auch ein paar andere Sachen, die ich noch brauche. Ich habe mittlerweile zwei doch recht schwere Tüten neben meiner Umhängetasche und hoffe daher eigentlich auf einen Sitzplatz. Leider werden diese Hoffnungen enttäuscht, das Daladala ist schon recht voll doch es finden sich einige hilfreiche Leute, die mir anbieten meine Tüten während der Fahrt auf den Schoß zu stellen. Das nehme ich natürlich dankend an, versuche eine einigermaßen erträgliche Stehposition zu finden und bin froh als das Daladala endlich losfährt. Leider kann ich nicht aus dem Fenster sehen und so nur erahnen, wo wir gerade sind. Als der Coductor das Geld einsammelt sage ich ihm, dass er mich am Seminary rauslassen soll und wenig später sind wir auch schon da. Ich sammle meine Tüten wieder ein und quetsche mich aus dem Kleinbus, der nun weiterfährt in Richtung Mikese. Ich bin froh nun wieder "zu hause" zu sein, räume meine Einkäufe ein und ruhe mich dann ersteinmal ein wenig aus. In die Stadt zu fahren ist einfach immer anstrengend, egal ob für eine oder für sechs Stunden.

2 Kommentare:

  1. Danke Verena, dass man sich nun so nett vorstellen kann, wie man mit dir in die Stadt fährt und was man so erleben kann :-) . Ich wünsch dir bei allem immer die nötige Portion Gelassenheit!

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  2. Wie nett!!! Wir freuen uns schon sehr auf den Besuch bei Dir. Und dann fahren wir auch mal zusammen in einem Daladala. Das mussst Du uns nun nach Deinem Bericht versprechen! :-)

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